Eine der größten Karrieren im Schachsport, die von Bobby Fischer, fand seinen Höhepunkt und sein Ende in der isländischen Hauptstadt Reykjavik. Vor 50 Jahren im Jahr 1972 fand die legendäre Weltmeisterschaft zwischen Boris Spasski und Robert James Fischer in Reykjavik, die mit einem Triumph des Amerikaners endete und dem Schachspiel einen weltweiten Boom bescherte. Die letzten drei Jahre seines Lebens verbrachte er ebenfalls in Reykjavik, bis er am 17. Januar 2008 aufgrund eines Nierenversagens starb. Im Rahmen einer Teilnahme am Reykjavik Schach Open 2022 ergab sich für die Verfasser die Gelegenheit, den Spuren von Bobby Fischer zu folgen und die letzten Aufenthalte in Reykjavik näher zu beleuchten. Ein Bericht von Hans und Arne Marzik:
1972 – Weltmeisterschaft in Reykjavik
Die Hintergründe, wie Reykjavik Austragungsort der 27. Schachweltmeisterschaft wurde, sind legendär und ausführlich dokumentiert. Beide Spieler hatten unterschiedliche Vorstellungen und ein Kompromiss schien in weiter Ferne. Nach und nach zogen sich alle anderen Ausrichter zurück und Island erklärte sich schließlich bereit, den Wettkampf komplett zu übernehmen.
Nach einigem Hin- und Her – und einer Verdoppelung des Preisgelds durch den englischen Mäzen Jim Slater – erschien Fischer 1972 am 03. Juli in Reykjavik, verpasste damit die Eröffnungsfeier am 01. Juli 1972. Schließlich begann der Wettkampf am 11. Juli und endete bekanntermaßen mit einem überzeugenden Sieg Fischers.

Fischer übernachtete während des Turniers im Icelandair Reykjavik Natura Hotel (damals hieß es noch Loftleidir). Es liegt nahe beim Inlandsflughafen und ist vom Wettkampfort etwa 4,5 km entfernt.
Der Wettkampf fand in der Mehrzweckhalle Laugardalshöllin in der Engjavegi 8 statt. Die Halle existiert noch heute. Sie ist mehrfach renoviert worden und in keinem guten Zustand. Es erinnert nichts mehr an den Wettkampf von 1972.

Es gab vor und während des Wettkampfs jede Menge Auseinandersetzungen außerhalb des Schachbretts: Um die Größe und Farbe der Figuren, um die Beleuchtung, die Fernsehkameras, die Zuschauer und die Stühle. Fischer hatte sich für einen EAMES ES 104 Drehstuhl entschieden, auf dem er auch in seinem Wettkampf mit Tigran Petrosjan gesessen hatte. Als Spasski diesen Stuhl sah, wollte er auch so einen. Es kostete die Veranstalter viel Schweiß und etliche Telefonate, bis binnen 24 h ein zweiter Stuhl eingeflogen werden konnte. Den Stuhl kann man übrigens heute noch (allerdings aus rechtlichen Gründen mit 5 Rollen) für schlappe 6.650 € kaufen. Wo der Originalstuhl verblieben ist, konnten wir nicht herausfinden.

1972 – 1992 – Nomadenleben und der 2. Wettkampf mit Spassky
Nach dem Sieg verschwand Fischer schnell in der Versenkung und lebte an wechselnden Orten in Kalifornien. Seinen Titel verteidigte er nicht mehr.
1977 gelang es dem Schweizer Schach Journalisten Yves Kraushaar, Fischer aufzuspüren und über seine Suche ein Buch zu veröffentlichen.
1992 tauchte Fischer völlig überraschend in der Schachwelt auf. Der serbische Bankier Jezdimir Vasiljevic finanzierte einen millionenschweren Revanche Wettkampf mit Spassky, den Fischer wiederum überzeugend gewann.
Es war die Zeit des Jugoslawien-Konflikts und die US Regierung hatte ein umfassendes Embargo gegen Jugoslawien verhängt, das von Fischer verhöhnt und ignoriert wurde. Aus diesem Grund wurde gegen Fischer ein Haftbefehl ausgestellt, aber vorläufig nicht vollstreckt.
1992-2004 – Auf der Flucht
Nach seinem Wettkampf verließ Fischer Jugoslawien und hielt sich in den nächsten Jahren zunächst in Ungarn, später überwiegend in Japan und den Philippinen auf. Der Haftbefehl wurde nie vollstreckt, selbst sein Pass wurde von den amerikanischen Behörden verlängert.
Es ist nicht klar, was die amerikanischen Behörden veranlasst hat, die Inhaftierung von Fischer voranzutreiben. Vielleicht lag die Ursache in seinen zunehmend radikalen, anti-israelischen und anti-amerikanischen Äußerungen. Jedenfalls wurde sein Pass vom Außenministerium in Washington für ungültig erklärt und er selbst bei der Ausreise aus Japan am 13. Juli 2004 verhaftet.
Er konnte sich zunächst durch Heirat der unmittelbaren Auslieferung widersetzen. Im Rahmen einer internationalen Kampagne zu seiner Freilassung erhielt er die isländische Staatsbürgerschaft und konnte nach Island ausreisen. Wer mehr über die Hintergründe erfahren möchte, erhält im Bobby Fischer Museum in Selfoss auf Island einen interessanten Vortrag und erfährt, wie die Schließung des amerikanischen Militärstützpunktes auf Island mit der Affäre zusammenhängt.
2005-2008 – Fischers letzten Jahre in Reykjavik
In Island angekommen, mietete Fischer zunächst eine Wohnung in der Klappastigurim dritten Stock nahe dem Meer.

Nachdem ihm wegen Eigenbedarfs 2007 gekündigt wurde, kaufte Fischer eine Penthouse-Wohnung in der Espigerði. Geldsorgen hatte er keine, sein Vermögen belief sich auf mehr als 5 Millionen US-$.

Fischer starb am 17.01.2008 an Nierenversagen. Er verweigerte jegliche medizinische Behandlung und lehnte auch die lebensverlängernde Dialyse ab.
Während seines Aufenthaltes auf Island besuchte Fischer zahlreiche Sehenswürdigkeiten und war häufig Gast in den Thermalbädern.
Er aß gerne Thailändisch, seine Lieblingsrestaurants sind heute verschwunden. Einer seiner Lieblingsplätze war der 2nd Hand Buchladen Bókin in der Klapparstíg 25-27 in Reykjavik. Er existiert seit 1964. Noch heute steht dort der Stuhl, auf dem Bobby während des Schmökerns gesessen hat. Die Öffnungszeiten des Ladens sind ein Mysterium, jedenfalls war er immer geschlossen, als wir daran vorbeikamen.

Fischer unternahm ausgedehnte Abendspaziergänge durch Reykjavik. Einer der Orte, an denen er sich gerne ausruhte, liegt nahe einer katholischen Kirche auf dem Landakot.

Fischer wurde auf eigenen Wunsch auf dem kleinen Friedhof bei der Kirche Laugardælir in der kleinen Stadt Selfoss, ca. 60 km bzw. 40 Minuten Autofahrt von Reykjavik entfernt, begraben. Ein Springer ziert seinen Grabstein. Der Friedhof ist recht klein und so ist das Grab schnell zu finden. Aufgrund der frischen Blumen und sich anhäufenden Steinen ist davon auszugehen, dass immer wieder Besucher aus der kleinen Stadt bzw. Touristen vorbeischauen. Wir kamen dem traditionellen Brauch Bobby Fischer die letzte Ehre zu erweisen ebenfalls nach.
In Selfoss liegt auch das Bobby Fischer Museum, in dem einige Memorabilien ausgestellt sind. Es ist gleichzeitig auch Spiellokal des örtlichen Schachvereins. Einen Besuch ist es allemal wert. und für jeden Schachspieler ist der Besuch eine Pflichtaufgabe. So finden sich im Gästebuch zahlreiche prominente Namen. Der letzte Besucher vor uns war übrigens IM Eric Rosen.

[Quellen]
Gudmundur Thorarinsson, The Match of All Time: The Inside Story of the legendary 1972 Fischer-Spassky World Chess Championship in Reykjavik, New in Chess, 2022, ISBN 978-9493257474
Gardar Sverrisson, Bobby Fischer – The Final Years: A Personal Memoir, Ugla Publishing, 2019, ISBN 978-9935211811
Helgi Olafsson, Bobby Fischer Comes Home: The Final Years in Iceland, a Saga of Friendship and Lost Illusions, New in Chess, 2012, ISBN 978-9056913816
Yves Kraushaar: Bobby Fischer heute. Das Genie zwischen Wunder und Wahnsinn. Usus, Schwanden 1977, vergriffen